Der Fall Netiwit Chotiphatphaisal – thailändischem Studierendenvertreter und demokratischem Aktivisten drohen bis zu neun Jahre Haft

Von Matthias Ubl & Thomas Zimmermann

Seit einem Putsch im Jahr 2014 wird Thailand von einer Militärjunta regiert. Sie verkündete zwar, dem Land „Frieden, Ordnung und echte Demokratie“ bringen zu wollen. Die versprochenen demokratischen Wahlen aber lassen seit nunmehr vier Jahren auf sich warten. Dafür geht die Militärregierung in der Zwischenzeit restriktiv gegen Demokratie-Aktivist*innen vor. Die Lage ist paradox und der vorgebliche Plan der Militärs wenig glaubwürdig.

So wurden Anfang vergangener Woche schwere Anklagen gegen sieben Aktivist*innen erhoben, die am Samstag, dem 27. Januar in Bangkok für Demokratie und Wahlen auf die Straße gegangen waren. Der Vorwurf lautet sinngemäß Volksverhetzung sowie Verletzung des herrschenden Verbots politischer Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen. Den Angeklagten drohen nun aufgrund ihrer Beteiligung an der Demonstration sieben bis neun Jahre Haft. 32 weiteren Personen drohen kleinere Strafen.

Unter den sieben befindet sich auch Netiwit Chotiphatphaisal. Er war 2017 zum Präsidenten des Studierendenparlaments der Chulalongkorn-Universität gewählt worden, wurde jedoch vor kurzem infolge seiner Teilnahme an einer symbolischen Aktion seines Amtes enthoben. Dabei handelte es sich um einen Vorfall, bei dem er, zusammen mit einer Gruppe von Kommiliton*innen, die zum Semesterstart obligatorische Verbeugung vor einer Statue des Königs von Thailand zwar ordnungsgemäß ausgeführt, die Zeremonie jedoch vorzeitig verlassen hatte. Thailand verfügt über eine der weltweit strengsten Gesetzgebungen gegen Majestätsbeleidigung. Chotiphatphaisal jedenfalls hat seine kleine Zurschaustellung von Ungehorsam sein Amt gekostet.

Nun, da er obendrein aufgrund seiner Teilnahme an genannter Demonstration unter Anklage steht, sucht er nach Unterstützung im Ausland und hat sich unter anderem an die Studierendenvertretungen verschiedener großer Universitäten gewandt. So ist er über eine Kontaktperson auch mit uns in Verbindung getreten. Wir sind Referenten für Publikationen der Studentischen Selbstverwaltung der Humboldt-Universität und als solche auch Teil deren Studierendenparlaments. In unserer Korrespondenz beklagte Chotiphatphaisal, dass die Meinungs- und Redefreiheit in Thailand de facto ausgesetzt sei. Zudem sei das Vertrauen der Bevölkerung gegenüber seiner Regierung zuletzt aufgrund dringenden Korruptionsverdachts noch mehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Es waren Fotographien aufgetaucht, die insgesamt 25 verschiedene Luxusuhren am Handgelenk des Verteidigungsministers zeigen. Da der Verdacht nahe liegt, dass es sich dabei lediglich um die Spitze des Eisberges handelt, regt sich seitdem vermehrt Widerstand. So ist für den 10. Februar wieder eine größere Demonstration geplant. Chotiphatphaisal zufolge betätigt sich allerdings die Regierung schon im Vorfeld in gezielten Einschüchterungsversuchen, die die Proteste klein halten sollen. Dazu zähle auch das Verfahren gegen ihn und die anderen Aktivist*innen.

In einem auf seinem Blog veröffentlichten Statement hält Chotiphatphaisal fest: „[…] if it was wrong for citizens to question what the authorities do with the taxes we paid and if asking or question out loud could get us in trouble, then I don’t think that we should let this kind of people rule our country.“

Schließlich kann „echte Demokratie“ von keiner Militärjunta installiert werden, sondern sie entsteht im Kampf gegen Herrschaft. Darauf, dass sich derzeit wieder demokratische Kräfte in Thailand zu regen beginnen, sowie auf den Umstand, dass die Regierung diese weiter niederzuhalten gedenkt, wollen wir hiermit aufmerksam machen. Als Referat für Publikationen beim Referent*innenrat der HU Berlin rufen wir insbesondere die Universitätsleitungen und Studierendenvertretungen dazu auf, sich mit Netiwit Chotiphatphaisal zu solidarisieren.