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24.11.2025 Stellungnahme zum Entwurf des Dritten Gesetz zur Fortschreibung des Berliner Hochschulrechts

Der Berliner Senat möchte aktuell eine Überarbeitung des Hochschulrechts umsetzen. Dabei soll unter anderem der Anspruch auf Sitzungsgeld aufgeweicht und die Möglichkeit der Übertragung des Berufungsrechts an die Hochschulen geregelt werden. Ihr könnt im Folgenden die Stellungnahme lesen, die wir in der LandesAstenKonferenz Berlin ausgearbeitet haben: 

Stellungnahme der Landesastenkonferenz (LAK) zur BerlHG-Novelle zu Sitzungsgeld, Berufungsrecht, Promotion, Beschäftigungsperspektive und Weiterentwicklung der BUA (Drittes Gesetz zur Fortschreibung des Berliner Hochschulrechts)

Änderungen am §44 (4): weitere Kürzungen auf dem Rücken der Studierenden? 

Es verwundert doch sehr, dass in einer Gesetzesänderung, die insbesondere Wünsche und Verhandlungsmasse der Hochschulen in den Hochschulverträgen verwirklichen soll, eine solche Änderung vorgenommen werden soll. Zwar wünschen sich studentische Vertreter*innen schon lange mehr "Agilität" beim Sitzungsgeld, dies aber vor allem im Hinblick auf die Höhe (Erhöhung) der zu zahlenden Sitzungsgelder und die Anzahl der Gremien, für die dieses in Anspruch genommen werden kann.

Dass Studierende aktuell immer noch denselben Betrag pro Sitzung erhalten wie schon vor zehn Jahren, ignoriert sowohl den tatsächlichen, einhergehenden Arbeitsaufwand als auch die massiv verschärfte sozialen Situation von Studierenden. Statt diese Probleme anzugehen, allen Studierenden die Möglichkeit zu eröffnen an der Gestaltung und den Geschicken ihrer Hochschule adäquat mitwirken zu können und dies auch ein Stück weit materiell abzusichern, wird die Verantwortung an die Hochschulen delegiert und damit faktisch auf diejenigen Studierende abgewälzt, die von Studium, Lohnarbeit und Care-Verpflichtungen noch nicht in den Burnout getrieben wurden oder sich trotz all dauerhafter Überlastung in der Pflicht sehen, auch hier für die politische Partizipation zukünftiger Studierender einzutreten und gegebenenfalls mit den Hochschulen in Konflikt zu gehen. Machen wir uns hier nichts vor: diese Entwicklung trifft besonders Studierende, die ohnehin bereits von gesellschaftlicher Marginalisierung betroffen sind.

Was es stattdessen braucht, wäre eine feste Zusage an Sitzungsgelder. Studierenden jeglicher finanziellen Lage muss es möglich gemacht werden, die Rechte ihrer Statusgruppe in den Gremien auch tatsächlich wahrnehmen zu können. Unter Kürzungsdruck der Hochschulvertragsänderung dieses Feld aus der Hand zu geben, fühlt sich wie eine weitere repressive Maßnahme gegenüber der politische Beteiligung der Studierendenschaft an. Studierende die in aller Regel jetzt schon durch ihre ehrenamtliche Arbeit zahlreiche Strukturen aufrechterhalten, die Hochschulen und Studierendenwerk allein aus finanziellen Möglichkeiten nicht in ausreichendem Maße vorhalten können.

Einführung §104: Pilothafte Einführung des Berufungsrechts

Wir betrachten den aktuellen Wunsch der Hochschulen, das Berufungsrecht vollständig in die eigene Verantwortung zu überführen, mit großer Sorge. Schon im bisherigen Berufungsweg ist es für Studierende, die sich in den Verfahren für Belange der Lehrqualität sowie der persönliche Eignung der Bewerber*innen in den Bereichen der Konfliktbewältigung, Gleichstellung und Antisdiskriminierung einsetzen, äußerst schwierig, wirksam Einfluss zu nehmen. Die letztendliche Entscheidungsmacht liegt bei einer professorale Mehrheit, welche primär oft eher an Wettbewerbsfähigkeit und Drittmittelstatistiken interessiert scheint. So ergibt sich ein Gesamttableau, in dem nicht selten fachlich und didaktisch besser geeignete Kandidat*innen übergangen werden, um diejenigen, welche besonders mittelstark sind, an die Hochschule zu holen.

Zeitgleich ist es für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen oft schwer, sich im Abhängigkeitsverhältnis zu ihren eigenen Vorgesetzten in Berufungskomissionen klar und kritisch zu positionieren. Dieses Gefüge perpetuiert eine extrem uniforme Auswahl an Wissenschaftler*innenprofilen, die aus Berufungsverfahren gewonnen werden (sollen). "Glücksgriffe" entstehen dabei für uns als Studierende wenn überhaupt eher zufällig: durch die vereinzelten Bewerber*innen, die durch erheblichen persönlichen Einsatz sowohl tollen Research-Output und Drittmittelkennzahlen vorweisen als auch in der Lehre glänzen, oder die wenigen bereits berufenen Professor*innen, die die Probleme identifiziert haben und sich ihnen auch in strukturellen Fragen aktiv entgegen stellen.

Auch die bereits etablierten Tenure-Track-Verfahren zeigen, dass hochschulinterne Möglichkeiten der „Qualitätskontrolle“ in Berufungsfragen strukturell an ihre Grenzen stoßen. Während Lehrqualität, Diversitäts- und Führungskompetenzen hier zwar im laufenden Verfahren geschult und evaluiert werden sollen, überwiegt in der Praxis oft das Interesse "vielversprechende wissenschaftliche Karrieren" nicht zu gefährden und bereits etablierte Personen zu halten. Vor diesem Hintergrund erscheint es noch weniger plausibel, dass die Hochschulen im Rahmen des neuen Gesetzentwurfs ausgerechnet dort ein wirksames Qualitätsmanagement etablieren werden, wo sie zugleich ihre eigenen Berufungsentscheidungen absichern.

Die Liste an Einzelheiten, an denen es aus studentischer Perspektive im Berufungswesen an den Hochschulen momentan hakt ist also lang, die strukturelle Ursache ist aber oft dieselbe: eine durch Prestige und finanzielle Mittel geleitete Entscheidung wird im Notfall einer Verbesserung der Lehre vorgezogen. Aus diesem Grund halten wir es in einer Phase in der Berufungsverfahren schon jetzt vielerorts nicht den im Gesetzesentwurf niedergeschriebenen Qualitätsstandards gerecht werden, für das falsche Signal, hier zusätzliche Spielräume aufzumachen.

Stattdessen braucht es verbindliche Qualitätsstandards, welche zu einer größeren Transparenz, weniger persönliche und berufliche Repressalien für kritische Stimmen, mehr Mitbestimmungsrecht für die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten und den nicht-professoralen Vertreter*innen. Wir wünschen uns, dass die Lehre in der Entscheidung über die Berufung eines*r Hochschullehrer*in auch tatsächlich zentrales Qualitätsmerkmal ist.

Denn: weniger kann sich Berlin nicht leisten. Ohne gute Lehre, Lehre die diskriminierungsarm und tatsächlich für Studierende zugänglich ist, wird es nicht dazu kommen, dass sich Absolvent*innenquoten in die Zielkorridore bewegen und ausreichend Lehrer*innen und Fachkräfte für die Zukunft ausgebildet werden. Es darf nicht sein, dass Frauen, geschlechtliche Minderheiten, Menschen mit Migrationsgeschichte, uvm. sich in Lehrveranstaltungen oder in der Betreuung von Hausarbeiten unwohl fühlen, diskriminiert werden und das Studium abbrechen.

Sollte § 104 trotzdem in dieser Form beschlossen werden, appellieren wir eindringlich, an die Senatsverwaltung, ihrer Kontrollpflicht vor Übertragung des Berufungsrecht umfassend gerecht zu werden. Fragen Sie sich: Waren alle Statusgruppen an der Erarbeitung der Berufungsstrategie, der Formulierung der Qualitätskriterien und der Konfliktsystematik beteiligt? Oder wurde eine von einer Hochschulleitung formulierte Richtlinie einfach im akademischen Senat unter vorgetäuschtem Zeitdruck zur Abstimmung gestellt? Warum sollte sich Widerstand von Statusgruppen regen, die in der Minderheit sind?

Zuletzt haben wir Bedenken zur tatsächlichen personellen Umsetzung eines qualitätsgesicherten Berufungsrechts an den Hochschulen, während die Hochschulvertragsänderung an den meisten Hochschulen de facto eine Kürzung im Bereich der Zentralverwaltung bedeutet. Für uns ist noch nicht ganz ersichtlich, wie unter diesen Bedingungen zusätzliche, aufwändige Qualitätssicherungsund Beteiligungsverfahren sinnvoll aufgebaut und dauerhaft getragen werden sollen. Die Rechnung "weniger personelle und finanzielle Ressourcen für mehr, zeitintensive, komplexe Aufgaben" wirkt zunächst einmal wenig sinnig.

Einführung §104 (4): Exzellenzberufung

Ein für uns besonders kritischer Punkt in der geplanten Gesetzesänderung ist die Exzellenzberufung. Wir appellieren dringendst diese Regelung aus dem Gesetzesentwurf zu streichen, da wir sie grundsätzlich ablehnen. Nicht nur verschärfen sich die oben ausgeführten Punkte so weiter, der Entscheidungsprozess wird auf Präsidien und Dekan*innen konzentriert, während die Beteiligung anderer Statusgruppen weiter beschränkt wird. Eine nachgelagerte Ablehnung der akademischen Gremien nach der Einholung von Gutachten und ohne reguläre Elemente des Berufungsverfahrens wie Fachvortrag und Lehrprobe, Gespräch mit der Kommission, Miteinbeziehung von Fachschaften ist nach allen Maßgaben selbst bei extremen Mängeln in nicht-forschungsbezogenen Leistungsparametern unrealistisch. Diese vorgesehene Möglichkeit der "Rückkopplung" wirkt damit ein zahnloses Instrument des Qualitätsmanagements und viel eher wie ein symbolisches Verfahren, um der (Hochschul-)Öffentlichkeit Beteiligung zu suggerieren, ohne sie tatsächlich zu gewährleisten.

Besonders kritisch sehen wir hier auch, dass die Meinungsbildung der dezentralen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in diesem Modell systematisch umgangen werden kann. Bestehende Strukturen zur Förderung von Frauen* und anderen marginalisierten Gruppen in der Wissenschaft werden hier effektiv ausgehebelt. Angesichts eines deutlich wahrnehmbaren antifeministischen und wissenschaftsfeindlichen gesellschaftlichen Trend der letzten Jahre halten wir es für hochproblematisch und zutiefst beunruhigend, ausgerechnet an dieser Stelle Schutzmechanismen und Mitbestimmungsrechte zu schwächen.

Die verschiedenen Möglichkeiten zur Ad-Personam-Berufung sollten bis zur Behebung der Qualitätsmängel und Partizipationsdefizite in Berufungsverfahren grundsätzlich klar beschränkt bleiben und an eine kritische Betrachtung und verbindliche Beteiligungsrechte aller Statusgruppen sowie der verschiedenen Interessensvertretungen geknüpft werden.

Gezeichnet: LandesAstenKonferenz Berlin

Die Stellungnahme der LAK zum vorgelegten Dritten Gesetz zur Fortschreibung des Berliner Hochschulrechts des Berliner Senats findet ihr hier.

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  • erstellt:06.12.25, 22:37
  • geändert:07.12.25, 01:42