Neue Rechte, Grundlagen

Mit "Neuer Rechter" wird seit einigen Jahren eine Anzahl von Strömungen der extremen Rechten bezeichnet. Obwohl es schwierig ist, sie alle zusammenzufassen, lassen sich einige Grundzüge herausstellen.

Ziel der Neuen Rechten ist es, Grundtheoreme der radikalen Rechten neu zu formulieren und den gesellschaftlichen Diskurs im Sinne dieser Theoreme zu beeinflussen. Dazu grenzt sie sich teilweise explizit von der „traditionellen Rechten“ ab und greift auch nicht auf den Nationalsozialismus oder Faschismus zurück. Sie bezieht sich auf andere Strömungen der radikalen Rechten, die vorrangig in den 20'er Jahren des letzten Jahrhunderts tätig waren. Einen wichtigten, aber nicht für alle gültigen Bezugspunkt bietet die „konservative Revolution“ genannte, vorrangig intellektuell und literarisch aktive Strömung.

Letztlich versucht die Neue Rechte die Abgrenzungen zwischen dem demokratischen und dem rechtsextremen Spektrum durchlässig zu machen. Es geht ihr um eine Intellektualisierung und Aktualisierung rechtsextremer Theoreme. Deshalb betätigt sie sich vorangig publizistisch und in Theoriezirkeln, selten in öffentlichkeitswirksamen Aktionen.

Strategie der Neuen Rechten ist es, sich als potentieller Gesprächs- und Diskussionspartner anzubieten. Durch die Umformulierung ihrer Thesen versuchen sie, den Eindruck von zwar konservativen, manchmal auch radikalen, aber niemals rechtsextremen Kräften zu erwecken. Da ihre Thesen aber gemeinhin auf eine zumindest dem Faschismus ähnliche Gesellschaft und Weltsicht hinauslaufen, sollte sich klar gemacht werden, dass bei öffentlichen Diskussionen mit ihnen Rechtsextremen eine Plattform geboten wird.

HauptvertreterInnen der Neuen Rechten sind im Umfeld der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und im Spektrum der sogenannten Kameradschaften zu finden. Einige studentische Korporierte engagieren sich in der Neuen Rechten. Zudem haben einige Korporationen ihre Häuser für Veranstaltungen dieser Strömung zur Verfügung gestellt.

Als Hauptthemen der Neuen Rechten lassen sich Folgende benennen:
  • Völkisches Denken. Für die Neue Rechte steht es außer Frage, dass Menschen immer unter dem Kollektiv von ahistorisch gedachten Völkern zu verorten sind. Jeder Mensch ist auch immer Angehörige/r eines Volkes, dass ihre Identität konstituiert und beschriebt. Aufgabe der Menschen sei es, ihre Identität (wieder zu)finden und zu behaupten. Gesellschaftliche Schichten seien demgegenüber irrelevant.
  • Biologismus. Der Mensch wird als Tier verstanden, dessen ganzes soziales Handeln von der Biologie vorbestimmt sei. Dies wird als unveränderlich angenommen.
  • Souveränität. Einer der intellektuellen Bezugspunkte stellt für die neue Rechte der Staatsrechtler Carl Schmitt dar. Ihm folgend behaupten sie, dass die Macht denjenigen zusteht, welche sie behaupten können. Andere Formen der Aushandlung von Macht werden ausgeschlossen.
  • Antiegalitarismus / Antidemokratie Für die Neue Rechte ist der Mensch qua Geburt dazu auserwählt, einen „natürlichen“ Platz in der Gesellschaft auszufüllen. Gesellschaftliche Ungleicheiten seien das Ergebniss „natürlicher“ Sozialordnungen und müssten hingenommen werden. Demokratische Mitbestimmung und die zumindest formale Gleichheit aller, wie sie als Grundlage aller Demokratien gilt, lehnt die Neue Rechte als unnatürlichen Eingriff in diese Sozialordnung ab. Diese Haltung propagieren sie oft als Anti- oder Nichtpolitik.
  • Eliten. Aus diesen Theoremen folgt ein Gesellschaftsbild, in dem einige wenige eine gesellschaftliche Elite darstellen, welche den restliche (und willigen) Teil der Gesellschaft beherrschen.
  • Kulturpessimismus. Große Teile der modernen Kultur gelten der Neuen Rechten als zu verwerfende Ausdrücke eines zu bekämpfenden egalitären Alltagsbewußtseins. So polemisieren sie gegen viele Fomren der Popkultur, gegen Drogenkonsum, aber auch die geringen Erfolge des Feminismus und des Antirassismus.
  • Rassismus / Kulturalismus. Die neue Rechte propagiert ein Weltbild, in dem die angeblich vorhanden Völker voneinander getrennt existieren. Ein Volk wird immer als zu einem Stück Land gehörend verstanden. Solange sich die Menschen auf diesem ihnen zugestandenen Land aufhalten und als Volk konstituieren, werden sie akzeptiert. Dies stellt eine Form des Rassismus dar. Zudem wird den Völkern eine jeweils ihnen eigene Kultur zugeschrieben. Diese Kulturen werden als orginärer Ausdruck der Völker verstanden, welche widerrum hierarchisch gegliedert zu verstehen sind. Die europäischen Kulturen werden dabei als weitest entwickelte verstanden. [JüdInnen, Sinti und Roma werden nicht auf einem Land verortet und in diesem Maße von der Neuen Rechten auch nicht als Völker verstanden. Das verbindet sich mit Elementen des Antisemitismus und des Antiziganismus und läuft bei einigen Neuen Rechten auf die angedachte Vernichtung dieser Menschen hinaus.]
  • Sexismus. Die Neue Rechte propagiert ein klar sexistische Weltbild, bei dem es zwei unveränderliche Geschlechter gibt, die Frauen für die Mutterrolle und Handarbeiten vorgesehen, die Männer als Kämpfer und Arbeiter verstanden werden. Dem gesellt sich eine ausgeprägte Homphobie zu. Nicht heterosexuelle Beziehungen werden ebenso abgelehnt, wie andere Beziehungsformen, als 2-er-Gemeinschaften. Allerdings wird der Elite teilweise eine Form von Heterosexualität oder zumindest Homoerotik zugestanden. Der Bund von Männern (!) wird hier als wichtiger verstanden, als die Fortpflanzung. In diesem Bund soll dann keine Frau Zutritt erhalten, weil diese von der Elitefunktionen ablenken würde.
Ob die Neue Rechte gesellschaftlichen Einfluss gewonnen hat, ist umstritten. Fakt ist, dass sich Teile ihrer Theoreme in anderen, als ihren eigenen Diskursen wieder finden lassen. Nicht zuletzt die im Bundestag geführten Debatten um die nationale Identität Deutschlands könnten zumindest einen Fingerzeig darstellen.

Innerhalb der extremen Rechten lässt sich eine stärkerer Einfluss geltend machen. Nicht an die Parteistrukturen der alten Rechten orientierte, sogenannte "Freie Kräfte", die oft unter dem Namen "Kameradschaft" auftreten, beschäftigen sich -wie von der Neuen Rechten propagiert- mit Themen, die sich nicht allein in parlamentarischen Diskurs bewegen. Zudem lässt sich die verstärkte Verwenung nicht-rechter, teilweise linksradikaler Symboliken und Parolen in diesem Spektrum, als -wenn auch ungewollten- Effekt der Neuen Rechten und ihrer Abgrenzungen zum "traditionellen Rechtsextremismus" verstehen. Nicht zu verachten ist der bestätigende Effekt, den die angeblich intellektuelle Fundierung rechtsextremer Theoreme durch die Neue Rechte auf andere Rechtsextreme hat.

Im Bereich der Dark Wave Szene ist dieser Einfluss allerdings ohne Probleme nachweisbar. Hier hat die Neue Rechte, nicht zuletzt durch eine Kampagne der Jungen Freiheit Symbole besetzt und mit anti-egalitären und kulturpessimistischen Inhalten aufgeladen, was ihr durch den elitären Gestus eines großen Teils dieser Szene relativ einfach gemacht wurde. Gegenbewegungen sind in dieser Szene leider eine Seltenheit.

Referat für Antifaschismus, Juli 2004
Dank für Recherche und Mitarbeit: K2 und Anna Bäcker

Der Kombattant

Im Sommersemester 2004 wurde an einigen Stellen der Humbolt-Universität eine Ausgabe der Zeitschrift "Der Kombattant" verbreitet. Dieses Ein-Mann-Projekt versucht auf wöchentlich zwei kopierten A4-Seiten eine Interpretation der Welt anzubieten, die sich am Denken der Neuen Rechten orientiert.


  • geändert:25.04.12, 19:20