"Wir haben das Patentrezept" - Über das Weltbild der Bürgerrechtsbewegung Solidarität

    "Wir haben das Patentrezept" - Über das Weltbild der Bürgerrechtsbewegung Solidarität


    Immer wieder sind sie in Berlin anzutreffen. Mal stehen sie an der Friedrichstraße, am Alexanderplatz, am Gendarmenmarkt oder an anderen zentralen Orten der Stadt. Beim Verteilen von Flyern und Zeitungen wirken sie auf den ersten Blick als seien sie harmlose Spinner, kapitalismuskritische Studierende, oder eine weitere globalisierungskritische Splittergruppe, die einem mit ihrer aufdringlichen Art von ihrem Gutmenschentum überzeugen wollen. Doch die Bürgerrechtsbewegung Solidarität, kurz BüSo, ist keineswegs nur ein Haufen alternativer, hippiesker Studis; sie ist Teil eines der bestorganisiertesten und finanzkräftigsten rechten Netzwerke außerhalb der originären Naziszene. BüSo gehört zu dem von Lyndon LaRouche geführten, weltweit agierenden politischen Netzwerk, das in erster Linie auf dem geschriebenen und gesprochenen Wort des Gründers und „Führers“ Lyndon LaRouche und seiner deutschen Ehefrau und Vorsitzenden von BüSo, Helga Zepp-LaRouche, beruht. Neben dieser als „Führerkult“ zu bezeichnenden Verehrung LaRouches, ist es vor allem ein verschwörungstheoretisches Weltbild, dass die Grundlage des Denkens der LaRouche-Bewegung bildet. So behaupten sie, die Welt sei auf dem Weg in die Sklaverei, versklavt von einer Gruppe von Menschen, die wahlweise Finanzoligarchie, Britannien, synarchistische Internationale, Weltfinanzsystem oder auch zionistische Lobby genannt wird. LaRouche habe dies erkannt und nur er könne die Menschheit in eine freie Welt führen. Tatsächlich hat die Vorstellung davon, wie diese Welt aussehen soll, aber nicht im Geringsten etwas mit Freiheit zu tun. Vielmehr schwebt LaRouche eine faschistoide Gesellschaft vor, die den angeblich unterdrückten natürlichen Drang der Menschen nach produktiver Arbeit wieder herstellen soll und in der unter der Führung von LaRouche die Menschen zu einer arbeitenden Masse von BefehlsempfängerInnen verkommen, die dann von angeblich „verschwörerischen Elementen“ bereinigt seien. Mit AnhängerInnen von LaRouche ist freilich nicht darüber zu diskutieren, erscheint in ihrem paranoiden Weltbild doch jedeR, der oder die dem Plan LaRouches widerspricht, als Teil der Verschwörung. Die daran Beteiligten würden nicht nur an der Versklavung der Menschen arbeiten, sondern gleichzeitig natürlich auch gegen LaRouche vorgehen, da dieser deren Pläne erkannt hätte und er und seine AnhängerInnen so zur Gefahr geworden seien. Folglich ergibt sich eine Liste an „Feinden“, die nicht nur unendlich lang, sondern auch an Absurdität kaum zu überbieten ist. Auf ihr stehen dann zum Beispiel das britische Königshaus (der Klassiker unter Verschwörungstheorien), Greenpeace, die Gewerkschaften, bis hin zur Antifa und vielen mehr. LaRouche und mit ihm die deutsche Sektion BüSo, konstruieren sich so eine Welt, die kurz vor der Apokalypse steht und in der sie als Einzige aufrichtig für die Wahrheit kämpfen. Die aktuelle Weltwirtschafts- und Finanzkrise sehen sie dabei als Bestätigung ihrer Theorie, befindet sich die Wirtschaft doch seit 2007 in der „Endphase ihres systemischen Zusammenbruchs“1. Gekommen wäre es soweit aber nur, weil die „Finanzoligarchie“ verhindert hätte, dass man auf LaRouche hört.

    Die von LaRouche aufgemachte Teilung der Welt in Gut und Böse, in gute konkrete, natürliche und produktive Arbeit, sowie auf der anderen Seite schlechte, den Menschen ausbeutende abstrakte Finanzoligarchie, erinnert dabei nicht zufällig an die nationalsozialistische Unterteilung in raffendes und schaffendes Kapital. Gesellschaftliche Beziehungen treten hier nicht als solche in Erscheinung, sondern stellen sich als ein Gegensatz zwischen konkret und abstrakt dar. Die Produktion wird damit als etwas Natürliches angesehen, das vom Kapital zu lösen sei, während das Finanzkapital als abstrakt und „parasitär“ halluziniert wird. In einem Weltbild wie dem von LaRouche, wird konkrete Arbeit hypostasiert, während der Grund allen Übels allein in der Form des Abstrakten gesucht wird. Eine reale Gestalt erhält diese bei LaRouche dann durch die Personifizierung der „Finanzoligarchie“, die für alles Leiden auf der Welt verantwortlich gemacht wird. Die Bezeichnung der als Feind ausgemachten Gruppe wechselt zwischen den oben genannten Begriffen, wobei seit dem September 2011 immer öfters vo der „zionistischen Lobby“ die Rede ist. Neu ist diese von allen möglichen AntisemitInnen gebrauchte Formulierung, um ihren Antisemitismus notdürftig zu kaschieren, allerdings auch bei der LaRouche-Bewegung nicht. So schrieb zum Beispiel Helga Zepp LaRouche schon 1979 in der Zeitung „Neue Solidarität“: „Während in den USA niemand auch nur die geringsten Illusionen über die Macht der zionistischen Lobby über vor allem die gegenwärtige Administration hegt, ist der Einfluß einer verdeckt operierenden zionistischen Lobby in der Bundesrepublik bisher nur wenigen eingeweihten politischen Persönlichkeiten bekannt, nicht aber der breiten Bevölkerung. Und deshalb müssen wir den scheinheiligen Holocaust-Schwindel zum Anlaß nehmen, um diese ausländischen Agenten auffliegen zu lassen.“2

    Leider ist das Weltbild der BüSo in der Öffentlichkeit und auch unter Studierenden kaum bekannt und so können sie recht ungestört ihre Verschwörungstheorien verbreiten. Zwar konnte die BüSo mit ihrem, wie sie einmal auf Wahlplakaten warb, „Patentrezept“ bisher kaum Stimmen gewinnen und auch bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2011 in Berlin bekam sie gerade einmal 1.861 Stimmen, aber das heißt nicht, dass man sie einfach ignorieren sollte, denn leider werden immer wieder junge Menschen von dieser Gruppe angezogen. Was dies für den Einzelnen oder die Einzelne bedeutet, ist nicht zu unterschätzen, denn BüSo ist nicht nur eine Plattform zur Verbreitung von Verschwörungstheorien, sondern kann getrost als Sekte bezeichnet werden. Dies zeigt sich unter anderem in einer strikten Wissenshierarchie, der Vereinnahmung der gesamten Freizeit der Mitglieder, ständigen Umzügen, der Abtrennung sozialer Kontakte und der Beschwörung einer elitären Gruppenidentität. Deshalb wäre es wünschenswert, dass in der Öffentlichkeit BüSo nicht mehr nur als eine harmlose Partei mit verrückten Thesen wahrgenommen würdewird, sondern als das was sie ist – eine rechte Sekte.

    1Aus dem Video „Warum sie uns mundtot machen wollen“ (http://bueso.de/node/1134).

    2 Helga Zepp-LaRouche, in: „Neue Solidarität“ 25.1.1979.



     


    • geändert:25.04.12, 10:00